Der Oberaargau verfügt über eine starke Wirtschaft und erfüllt eine strategisch zentrale Wichtigkeit für den Kanton Bern. Bereits seit einem Jahr ist Silvia Jäger Geschäftsführerin Region Oberaargau und hat den Verein Region Oberaargau mit starker Präsenz vor Ort und gezieltem Networking bekannter gemacht. Hier stellt sie den Verein und die Region Oberaargau, ihre Bedeutung, ihre Leuchttürme und Herausforderungen vor.
Sie sind seit rund einem Jahr Geschäftsführerin der Region Oberaargau. Wie gefällt Ihnen Ihr Job und was haben Sie bis jetzt erreicht?
Silvia Jäger: In meinem ersten Jahr als Geschäftsführerin gab es bereits viel zu tun. Die Geschäftsstelle und der Vorstand wurden teilweise neu zusammengesetzt. Dies brachte die Chance und Gelegenheit mit sich, den Verein Region Oberaargau mit einer geplanten Teilrevision der Statuten teilweise neu auszurichten und vermehrter auf die Bedürfnisse und Anliegen unserer Mitglieder und Mitgliederorganisationen abzustimmen. Gemeinsam mit der Präsidentin des Vorstandes haben wir fast alle Gemeinderäte der oberaargauischen Einwohnergemeinden besucht, um mit ihnen über aktuelle Themen und Herausforderungen in den Dialog zu treten. Im vergangenen Jahr hat der Verein Region Oberaargau aufgrund seiner starken Präsenz vor Ort und dem gezielten Networking sicher vermehrt an Bekanntheitsgrad gewonnen. Wir sind wieder näher an unsere Mitglieder gerückt und bereits dienstleistungsorientierter ausgerichtet. Zudem sind wir damit beschäftigt, interne strukturelle und organisatorische Prozesse und Strukturen zu bereinigen und effizienter zu gestalten. Wir haben die Arbeit von bestehenden Projekten aufgenommen und neue Projekte lanciert. Der Verein Region Oberaargau wird seitens Kantons, Bund und anderen Regionen nun bereits stärker wahrgenommen.
Welche Bedeutung hat der Oberaargau und das Emmental für den Kanton Bern?
Der Oberaargau verfügt über eine starke Wirtschaft. In dieser Region sind viele namhafte und weltweit bekannte, erfolgreiche Grossunternehmen angesiedelt, welche in ihrer Branche insbesondere im Bereich Industrie führend sind. Diese leisten gemeinsam mit den zahlreichen KMU einen wichtigen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des Kantons Bern. Unsere Region ist aus wirtschaftlicher Sicht sehr bedeutend. Die Region Oberaargau liegt im Herzen des Schweizer Mittellandes und hat damit den direkten örtlichen und wirtschaftlichen Bezug zu den drei angrenzenden Kantonen Solothurn, Aargau und Luzern. Der Oberaargau erfüllt eine strategisch zentrale Wichtigkeit für den Kanton Bern. Folglich handelt es sich beim Oberaargau definitiv nicht um eine Randregion. Es ist jedoch eine Tatsache, dass die Wichtigkeit der Region Oberaargau vielmals in Bern vergessen geht, und viele Bernerinnen und Berner noch heute nicht davon Kenntnis haben, dass der Oberaargau zum Kanton Bern gehört. Dies muss sich zwingend ändern!
Wie tickt die Bevölkerung in dieser ländlich, kleinstädtisch geprägten Region und was sind ihre Bedürfnisse?
Ich nehme die Oberaargauerinnen und Oberaargauer als freundlich, hilfsbereit und sehr pflichtbewusst und engagiert wahr. Die Region Oberaargau verhält sich gegenüber gewissen Inhalten eher «bescheiden» und dürfte meiner Meinung nach je nach Thema durchaus eine Spur selbstbewusster und bestimmter auftreten – insbesondere gegenüber dem Kanton und den anderen bernischen Regionen. Ein zentrales Bedürfnis besteht darin, dass wir als Region mit den vorhandenen Stärken und dem Potenzial im Kanton Bern stärker wahrgenommen werden. Die Bezeichnung «Randregion» im Sinne von «Nebenschauplatz» trifft definitiv nicht zu und widerspiegelt in keiner Weise, was der Oberaargau zu bieten hat und für den ganzen Kanton Bern leistet.
Weitere Bedürfnisse der Region nehme ich vor allem in folgenden Bereichen wahr:
- in der verbesserten Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr und im motorisierten Verkehr,
- in der Realisierung von Entwicklungsschwerpunkten,
- in der Standortförderung und der Verbesserung der Attraktivität von Wirtschaftsunternehmen,
- im Ausbau und der Festigung von Bildungs- und Kulturangeboten sowie im Freizeittourismus.
Das Logo unseres Vereins verkörpert diese Schwerpunkte im sogenannten Dreiklang mit Fokus auf Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Diese drei Klänge fassen die Bedürfnisse der Bevölkerung für die Weiterentwicklung der Region sehr gut zusammen.
Was sind die charakteristischen Werte und Qualitäten des Oberaargaus?
Die charakteristischen Werte und Qualitäten liegen aus meiner Sicht in der wunderschönen Natur und den unzähligen Naherholungsgebieten, in den topografischen und kulturellen Unterschieden der einzelnen Subregionen, in der Pflege von Traditionen, im Zusammenspiel zwischen Gewerbe und Klein- und Grossunternehmen sowie im zwischenmenschlichen Umgang. Die Region Oberaargau lernt – infolge des Direktbezugs zu den drei angrenzenden, kantonalen Wirtschaftsregionen – immer wieder, sich neuen Situationen anzupassen und ist dynamisch unterwegs, was sicher vorteilhaft ist.
Was schätzen Sie besonders am Oberaargau?
Ich schätze insbesondere die unkomplizierte, offene und bodenständige Art des Umgangs miteinander und das gemeinsame Anpacken von Herausforderungen. Ich kann mich mit den Haltungen und Werten der Region sehr gut identifizieren. Als Oberwalliserin fühle ich mich in dieser Region total heimisch und wohl. Ich bin begeistert von der wunderschönen Natur und der Vielfalt und dem Potenzial dieser Region. Daher lohnt es sich aus meiner Sicht voll und ganz, sich für Land und Leute im Oberaargau zu 200 Prozent einzusetzen.
Der Verein Oberaargau umfasst 47 Einwohnergemeinden und 23 regionale Mitgliederorganisationen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Der Verein Region Oberaargau ist in der kantonalen Gesetzgebung vorgesehen und ist dadurch insbesondere als Bindeglied zwischen dem Kanton und den Einwohnergemeinden sowie als Gefäss, in welchem die Oberaargauer Gemeinden geeint auftreten können, von kantonaler Bedeutung. Die Zusammenarbeit funktioniert gut. Mit der geplanten Teilrevision der Statuten, welche der Delegiertenversammlung am 24. November 2023 zur Genehmigung unterbreitet wird, wollen wir gezielt die internen Abläufe und Prozesse effizienter gestalten und unsere Geschäftsstelle dienstleistungsorientierter ausrichten, respektive gezielter auf die Bedürfnisse und Anliegen der Mitglieder und Mitgliederorganisationen abstimmen. Zudem planen wir im Bereich Marketing und Kommunikation Massnahmen, um den Informationsfluss zu verbessern und den Dialog mit unseren Mitgliedern und Mitgliederorganisationen gezielter zu fördern.
Sie wollen die regional ausgerichtete Raumentwicklung stärken. Was beinhaltet dies und was sind dabei die grössten Hürden?
Es ist wichtig, dass wir die vorhandenen Entwicklungsschwerpunkte im Oberaargau realisieren können. Vielmals bestehen die Hürden und Schwierigkeiten im Zusammenwirken unterschiedlicher, kantonaler Direktionen mit deren gesetzlichen Vorschriften und Grundlagen und Zielvorgaben. Die teilweise fehlende Erschliessung der Region durch den öffentlichen Verkehr und für den motorisierten Verkehr wirken sich negativ auf die geplante Raumentwicklung aus. Zudem fehlt es u.a. an verfügbarem Bauland.
Welche Bedeutung hat der Oberaargau als Wirtschaftsstandort und wie fördern Sie diesen konkret, respektive wo hat es noch Potenzial?
Der Oberaargau ist als Wirtschaftsstandort nicht nur für den Kanton Bern bedeutend, sondern schweizweit, da er über viele internationale, erfolgreiche Firmenunternehmen (insbesondere im Bereich Industrie) verfügt. Die Region befindet sich ideal gelegen auf der Achse Bern-Zürich und Basel-Luzern. Gemeinsam mit der kantonalen Standortförderung besuchen wir regelmässig regionale Unternehmen und suchen gemeinsam mit ihnen und anderen Akteuren zum Beispiel dem Wirtschaftsverband Oberaargau nach Lösungen, wie die Standortattraktivität im Oberaargau mittel- und langfristig gesichert und gezielt erhöht werden könnte. Potenzial sehen wir zum Beispiel in der besseren ÖV-Anbindung.
Was sind die nächsten Ziele des Vereins Oberaargau?
Ein wichtiges Ziel ist mit der Genehmigung und Umsetzung der geplanten Teilrevision der Statuten des Vereins verbunden. Dadurch können wir den Verein nach innen und aussen stärken und besser positionieren. Zudem wollen wir mit einem neuen Webauftritt und Massnahmen im Bereich Kommunikation und Information unseren Bekanntheitsgrad erhöhen und unsere Dienstleistungen besser vermarkten. Dies ist absolut notwendig, da ein grosser Teil der Bevölkerung keine Ahnung hat, wer wir sind und was wir machen. Zudem steht Ende November 2023 noch die rechtliche Bereinigung der regionalen Verkehrskonferenz an, welche wir mit einer separaten Vereinsgründung klar vom Verein Region Oberaargau abkoppeln. Bis Ende 2023 werden wir die Unterlagen fürs RGSK 2025, das AP 5 und fürs RAK 2027-2030 soweit erarbeitet haben, dass sich die betroffenen Gemeinden im anschliessenden Vernehmlassungsverfahren dazu äussern können.
Was wünsche Sie sich für die Region Oberaargau?
Ich wünsche mir, dass jede Person Bescheid weiss, dass der Oberaargau Teil des Kantons Bern ist, und die Region stärker wahrgenommen wird, insbesondere als Wirtschaftsstandort. Zudem wünsche ich mir, dass die Region einerseits auch künftig ihre regionsspezifischen Eigenheiten und ihren ländlichen Charme behalten kann und andererseits, dass die Subregionen vermehrt zu einer Region zusammenwachsen und diese als Einheit nach innen und aussen verkörpern.
Interview: Corinne Remund